Viele von Euch kennen meine Vorliebe für „Internationale Produkte aus regionaler Erzeugung“, wie zum Beispiel eben Whiskies aus dem Alpenraum. Bei dem folgenden Produkt, das wohlgemerkt NICHT kommerziell verfügbar ist, muss ich etwas weiter ausholen.
Bei stöbern am Dachboden unseres alten Gasthauses in Gaissau kam im Sommer eine kleine Senation ans Tageslicht, ein Buch über die Destillation. Das Buch ist moderneren Datums, aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. In seinem Inneren aber fanden sich dann handschriftliche Notizen über Rezepte für Gin. Wie Alt genau die Notizen sind lässt sich nur schwer nachvollziehen, die Angaben vom „Übersetzen mit dem Fährschiff“ nach Rheineck lässt aber den Schluss zu, dass es aus der Zeit vor 1840 kommt.
Zu jender Zeit war Gaissau an einer wichtigen Handelsstrasse von Basel kommend über Bregenz, Feldkirch nach Inssbruck und Italien. Der Überlieferung nach war die Fähre über den Alpen-Rhein bei Gaissau – Rheineck (einer Festungsstadt) die erste im ganzen Rheinthal. Somit lässt es sich auch erklären, woher vielleicht die Rezeptur, sicherlich aber die kostbaren Gewürze dafür herkamen.
Im November jedenfalls hat es mich nicht mehr losgelassen und ich habe verschiedene Variationen des Rezeptes ausprobiert. Schliesslich wollte ich unbedingt wissen, wie der Gin von anno dazumal schmeckt. Auch meine 6jährige Tochter hat voller Tatendrang mitgeholfen. In unserer typischen rheinthaler Brennerei (ein nebenstehendes kleines Brennhäuschen) destillierten wir einen Tag lang die verschiedenen Rezpeturen. Bemerkenswert jedoch ist der Grundalkohol des Produktes. Wird traditioneller Gin mit Neutralalkohol hergestellt, scheinen sich die Erfinder des Gin-Rezeptes mit den damals verfügbaren Gegebenheiten zufrieden gegeben zu haben. Hier im Mündungsbereich des Alpenrheins in den Bodensee ist die Landschaft geprägt von Hochstammbäumen, vor allem Birnensorten. Dies bildet also den Grundalkohol für dieses einzigartige Getränk.
Zwischen den Weihnachtsfeiertagen dann war es soweit, eine Probe wurde feierlich aus dem Glasballon, in dem das Getränk lagert, abgezogen und degustiert. Zum Rezept selbst möchte ich mich nicht weiter äussern, es enthält rund 15 Zutaten die es vor allem im Geruch zu einem sehr würzigen und unverwechselbaren Produkt machen.
Die Rezeptur scheint perfekt auf den Grundalkohol abgestimmt, kommen doch in der Nase die typischen Wachholder und Gewürz-Noten durch. Am Gaumen besticht das Produkt mit einer genialen Süsse die vom leichten Bitter des Tonics balanciert wird.
Ein spannendes Abenteuer, dieses alte Rezept nach zu destillieren! Ein paar Liter davon liegen nun im Keller und werden von wiederkehrenden Besuchern bereits aktiv nachgefragt wenn es um die Auswahl eines Getränkes geht. Auf die Frage nach einem „Schnäpsle“ antworteten doch ein paar mit: „Gibts noch von Deinem Gin?“
Degustationsnotiz „GIN“ 70 Vol%
Aussehen
klar, farblos, deutliche Schlieren
Geruch
ausgeprägt gewürzig, deutlich Wachholder/coniferig, Koriander, Zitrosnoten, sehr frisch
Geschmack mit Tonic
typisch Gin, gewürzig, Wachholder, breit-birnige Süsse mit zartem Bitter vom Tonic Water, Zitrusnoten
Kommentar
In der Nase typisch Gin, am Gaumen nicht ein „Standard Gin-Tonic“. Von den bisherigen Degustanten aber als sehr eingänig und gefährlich „süffig“ eingestuft.
sehr subjektives Rating:
[rating:5/6]